Ein Bericht von V. Thiermann
200822. Nach einem 2-monatigen Austausch und einer Menge neuer Erkenntnisse, möchte ich interessierte Leser von meinen eindrucksvollen Erfahrungen erzählen, um einen Einblick in ein mittelamerikanisches Land wie Costa Rica zu gewähren.
Schon zwei Tage nach meiner Anreise brach ich mit meiner Gastfamilie und zwei weiteren befreundeten Familien auf, um nach Guanacaste zu fahren. Guanacaste ist eine der sieben Provinzen Costa Ricas und liegt im Nordwesten am Pazifik. Dort blieben wir sechs Tage lang, in denen wir tagsüber exotische Sandstrände abklapperten und abends Salsa und Merengue tanzten oder nach dem Grillen im Pool entspannten. Unser Ferien-Domizil, ein großes Haus im amerikanischen Stil, lag in einem riesigen Resort, nicht weit entfernt von der Küste. Als Neuling der Familie bekam ich ein eigenes Schlafzimmer zugeteilt. Täglich bin ich aufgewacht zu dem Klang lachender Kinder, zu dem Duft frisch gekochtem Gallo Pinto, einer traditionellen costa-ricanischen Speise, und zu dem Gefühl der Zugehörigkeit. Alle Beteiligten behandelten mich wie eine „alte“ Freundin: es wurde mit mir getanzt, mit mir geredet und gelacht, und letztendlich schloss ich sie alle in mein Herz.
Nachdem wir wieder zuhause waren, hat meine Gastmutter ein Treffen mit einer deutschen Auswanderin, die gleichzeitig auch eine Freundin der Familie ist, vereinbart, um mir den Berg Barva (etwas außerhalb San José) zu zeigen. Gemeinsam wanderten wir dort mehrere Stunden, wobei mir auffiel, dass diese Art von Wald teilweise den deutschen Wäldern ähnelte. Allerdings findet man sehr viele Unterschiede bei Pflanzenarten und Insekten. Es hat mir sehr gut gefallen und es tat gut, nach dem fast tropischen Klima an der Küste mal wieder kühlere Bergluft zu schnuppern.
Mein dritter Ausflug ging nach Monteverde, ein magischer grüner Ort in Puntarenas, einer weiteren Provinz Costa Ricas. Wir verbrachten ein Wochenende in einer luxuriösen Holzhütte, die wohl hauptsächlich zum Schlafen benutzt wurde, weil nach dem Frühstück immer etwas unternommen wurde: Wanderungen im Cloudforest Monteverde, Besuch eines Kolibri-Gartens, eine ausgiebige Führung auf einer traditionellen Kaffee-Plantage und eine Gondelfahrt auf einen Berg inmitten des Cloudforest, von wo man eine großartige Aussicht auf die Küste und die grüne Umgebung hatte. Außerdem hat mich mein Gastvater an einem Abend mit einem Kochkurs überrascht, in dem wir selbst Ceviche zubereitet haben. Ceviche ist eine Fischspeise in Zitronensaft, die weder gekocht wird noch aufwendig zu machen ist.
Im Jahr 1824 wurde Guanacaste offiziell zur Provinz von Costa Rica erklärt, denn bis zum 25. Juli 1824 gehörte die Provinz noch zu Nicaragua. Aus diesem Grund wird jedes Jahr am 25. Juli die Annexion von Guanacaste gefeiert. Glücklicherweise durfte ich Teil davon werden und kann nun berichten, wie bunt es war. Gefeiert wird auf Straßen und auf den Plätzen neben den Kirchen, wo viel Süßes und traditionelle Kost verkauft wird, auf denen viele Menschen herumschwirren, die entweder zum Takt einer kleinen Band tanzen oder die gekaufte Kost vertilgen. Doch den Mittelpunkt des Festes bilden die jungen und alten Leute, die in der Menschenmenge tanzen, herumhüpfen, springen, sich drehen und sich der akustischen Musik hingeben. Sie alle tragen verschiedene Verkleidungen oder Traditionskleidung und jeder einzelne hatte einen ganz individuellen, selbst hergestellten, großen Kopf aufgesetzt. Es war phänomenal, all dies miterleben zu können.
Kurz bevor die Schule in Costa Rica wiederbegann, erlaubten wir uns noch eine Auszeit in Manuel Antonio, ein Wochenende am Strand. Als wären wir eine echte Familie, haben wir gemeinsam die Vorzüge des Hotels genossen, was bedeutet, dass wir im Pool schwammen, Cocktails schlürften, an einem Tisch saßen und das Essen aus der Küche lobten oder abends auf dem Balkon den Sonnenuntergang über dem Ozean bestaunten. Sonntagmorgen hatte ich dann die erste Surfstunde meines Lebens und trotz der gefühlten 20 Liter Salzwasser, die ich dank der großen/starken Wellen schlucken musste, stand ich dann bald felsenfest, den Sieg feiernd, auf dem Surfbrett. Auf diese Erfahrung blicke ich heute noch gerne zurück.
Darüber hinaus machten wir einen Tagesausflug zum Vulkan Arenal und dem nahegelegenen Wasserfall La Fortuna. Den Vulkan betrachteten wir nur durch das Autofenster beim Vorbeifahren, zudem der Gipfel bewölkt war, doch umso mehr hat sich der Besuch des Wasserfalls gelohnt. Zwar war der Weg dorthin beschwerlich, da man Hunderte Stufen steigen musste, allerdings war die Aussicht auf den Wasserfall einzigartig und unbeschreiblich. Noch besser war die Tatsache, dass man in dem schmalen Fluss, der durch den Wasserfall entstand, baden gehen konnte.
Ebenso fuhren meine Gastfamilie und ich nach San José zu zwei verschiedenen Museen. Zuerst besuchten wir das Jade Museum, auch genannt „el Museo del Jade y la Cultura Precolombina“, mit anthropologischen, geologischen und archäologischen Exponaten und einer großen Jadesammlung. Daraufhin gingen wir ein paar Straßen weiter zum Nationalmuseum Costa Rica, „el Museo Nacional de Costa Rica“ auf Spanisch genannt, das mit Exponaten zu Archäologie, Fauna, Kultur und Militär ausgestellt ist. Dort wird nicht nur spielerisch, sondern auch sehr informativ und genau über die Geschichte Costa Ricas gelehrt.
Anfang August traten wir eine Tagestour zum „La Paz Waterfall Gardens Nature Park“ an. Hierbei handelt es sich um einen großräumigen Tierpark und um eine „Wasserfall-Straße“, das bedeutet eine Aneinanderreihung von Wasserfällen. Der Tierpark beherbergt Tiere wie Schmetterlinge über Tukane bis hin zu Löwen, repräsentiert und zeigt zugleich aber auch die costa-ricanischen Traditionen (das „casa costarricense“ mit typischen Speisen und Getränken sowie Tieren). Schmale Wanderwege am Rande der Wasserfälle ermöglichen es, die Wasserfälle nacheinander bewundern zu können.
Auch besuchten wir den Vulkan Irazú in Cartago und ein verlassenes Sanatorium auf dem Weg dahin. Nach einer langen Fahrt zum Vulkan wollte man uns am Eingangsbereich zum Nationalpark abwimmeln, weil dichter Nebel die Touristenattraktion verhüllte und unklar war, ob sich dies noch ändern würde. Doch ich bestand darauf, trotzdem hinauf zu fahren und überraschenderweise wurde das Wetter bald wieder klar und man hatte einen perfekten Blick auf zwei Lagunen im Krater des Vulkans. Im Gegensatz zur heißen Küstenregion herrscht auf Vulkanen ein Klima, das mit Winden und Temperaturen von 10° Celsius dem Wetter eines kalten Novembertages in Deutschland ähnelt.
Mein letzter Ausflug führte mich an die paradiesische Karibikküste. Genauer gesagt nach Limón, in der gleichnamigen Provinz. Diesmal schlossen sich weitere Austauschschüler mit ihren Gastfamilien an, sodass wir uns eine kleine, aber gemütliche Ferienanlage teilten. Neben einer Bootstour zur Grenze Panamas, wo man nicht nur an jedem beliebigen Strand hätte schwimmen gehen können und Delfine hautnah erleben durfte, erkundeten wir zu Fuß die Küste, wo wir ausgiebig schwammen, und machten fleißig Fotos von einem Aussichtspunkt aus.
Nach jedem Ausflug hatte ich entweder eine neue costa-ricanische Lieblingsspeise oder konnte von mir behaupten, etwas probiert zu haben, wovon ich vorher gar nicht wusste, dass es existierte. Bis heute vermisse ich das typische Gallo Pinto, das zu jeder erdenklichen Tageszeit verkauft und gegessen wird, und das frische Bohnenmus aus schwarzen Bohnen, den „frijoles negros“, als Beilage zu einer Speise. Nichtsdestotrotz fand ich während der acht Wochen nichts besser als Platanitos. Das sind grüne Kochbananenchips, die, meiner Meinung nach, viel leckerer schmecken als herkömmliche Kartoffelchips. Leider kann man nichts davon in deutschen Supermärkten kaufen und ich spreche aus Erfahrung, wenn ich sage, dass das Bohnenmus mit deutschen Bohnen aus dem Glas nicht annähernd so gut schmeckt wie das Original.
Zusammenfassend kann ich sagen, dass mir der Austausch in Costa Rica unendlich viel Spaß bereitet hat, weil ich nicht nur sprachliche Kenntnisse gewonnen habe, sondern auch kulturelle, kulinarische und vor allen Dingen menschliche. Ich habe gelernt, wie wichtig Kommunikation wirklich ist, wie es ist, auf sich „selbst“ gestellt zu sein, wie Mut und Überwindung helfen, um weiter zu kommen und dass Menschen, die anfangs noch so fremd erschienen, so schnell Familie werden können. Für nichts auf der Welt würde ich meine Erfahrungen eintauschen wollen, denn diese zwei Monate haben mich einiges gelehrt und werden mich für den Rest meines Lebens prägen.
Bei Fragen oder Interesse am Austausch bitte bei Frau Caelers melden, um mit mir Kontakt aufzunehmen.
Fotos. V. Thiermann
Link zum Bericht vom Schüleraustausch mit San José, Costa Rica (2019)