Die Physiker – Wahnsinn mit Schmunzelgarantie

10er WP-Kurs „Darstellen und Gestalten“ begeistert mit Dürrenmatt

240519. Wenn sich Schüler der 10. Klassen an Friedrich Dürrenmatts Klassiker „Die Physiker“ wagen, kann man sich auf einiges gefasst machen. Am 16.05.2024 wurde in der Aula des Ritzefeld-Gymnasiums das Theaterstück aufgeführt und die jugendlichen Schauspieler boten eine Vorstellung, die sowohl schräg als auch urkomisch war, ohne an irgendeiner Stelle ins Oberflächliche abzugleiten.

Dürrenmatts „Die Physiker“ behandelt das ernste Thema der Verantwortung der Wissenschaftler gegenüber der Gesellschaft und der Gefahr, die von wissenschaftlichem Fortschritt ausgehen kann. Drei Physiker leben – getarnt als geisteskranke Patienten – in einer privaten psychiatrischen Klinik. Einer von ihnen, Möbius, hat eine Entdeckung gemacht, die die Gefahr der Vernichtung der Welt in sich birgt, während die anderen beiden, die vorgeben, Einstein und Newton zu sein, sie ihm entlocken wollen. Um nicht aufzufliegen und ihre Geheimnisse zu schützen, schrecken sie alle auch nicht davor zurück, ihre Krankenschwestern zu ermorden, doch die Anstaltsleiterin Dr. Mathilde von Zahnd ist ihnen einen Schritt voraus. Sie offenbart den Wissenschaftlern, dass sie selbst dem König Salomo diene, sich die Erkenntnisse zur Weltformel von Möbius bereits angeeignet hat und die Physiker als Mörder nun die Anstalt nicht mehr verlassen können und ihre Freiheit umsonst geopfert haben.

Dürrenmatt verknüpft hier die Frage nach der Verantwortung der Wissenschaft mit seiner Dramentheorie, der zufolge jede durch Zufall ausgelöste Handlung die schlimmstmögliche Wendung nehmen muss. Die Schüler brachten diese düstere Thematik textsicher und mit einer erstaunlichen Leichtigkeit und einer guten Portion Humor auf die Bühne. Schon die Szenenbilder waren ein Highlight: Die Anstalt wurde mit minimalistischem Charme und kreativen Requisiten dargestellt. Einsteins chaotisches Zimmer bleibt im Verborgenen, von der Ferne hörte man ihn Geige spielen. Möbius erträgt das Flötespielen seiner Kinder nicht, die er zum ersten und letzten Mal sieht, bevor er wenig später seine Krankenschwester Monika tötet, um seine Fassade als verrückter Wissenschaftler, der im Auftrag König Salomo handelt, nicht zu gefährden.

Der Kniff mit der Doppelbesetzung der Hauptrollen war eine meisterhafte Entscheidung. Die Schüler wechselten geschickt zwischen den Rollen hin und her, was nicht nur das Talent der jungen Darsteller unter Beweis stellte, sondern zunächst auch für urkomische Verwirrung sorgte. Es gab Momente, in denen der Zuschauer nicht mehr wusste, ob er sich in einem Drama oder einer Komödie befand – genau die richtige Stimmung für Dürrenmatts groteskes Meisterwerk.

Besonders hervorzuheben ist das Gespräch der drei Physiker beim gemeinsamen Abendessen, bei dem „Newton“ plötzlich seine Perücke abzog und sich als West-Agent outet, worauf auch Einstein als verkappter Ost-Agent seine Sichtweise auf die Verantwortung der Wissenschaft darstellt. Als Möbius ihnen gestand, seine Aufzeichnungen vernichtet zu haben, entpuppt ich die Buhlerei als Farce um „heiße Luft“. Sie hatten nicht mit der in echt verrückten Anstaltsleiterin gerechnet, die sich einen Teufel um Urheberrechte schert – im Namen des weisen König Salomo. What a Fake!

Insgesamt war die Aufführung der „Physiker“ ein voller Erfolg. Die Mischung aus düsterer Thematik, skurrilen Momenten und jugendlichem Elan machte den Abend zu einem Erlebnis der besonderen Art. Dürrenmatt hätte sicherlich seine Freude an dieser erfrischenden und humorvollen Interpretation gehabt. Die Schauspieler bedankten sich beim Publikum mit einem ganz persönlichen Statement, was das Stück und die Beschäftigung mit der Thematik für sie bedeutet, und genossen den lang anhaltenden und respektvollen Applaus.

Ein großes Lob an die jungen Talente und Frau Fielen als Sanatoriumsregisseurin – und auf weitere solch gelungene Theaterabende!

Anmerkung des Rezensenten und Physikers: Es war es absolut wert, für die Offenbarungsrede der Frau Dr. von Zahnd ein altes Physik-Schulbuch zu opfern, dessen Seiten sich flatternd in der ganzen Aula verbreiteten – eine wahrhaft salomonische Entscheidung! 😊

Unter der Regie von Frau Fielen spielten:

Möbius Sarah Barth (10a), Mara Muhr (10c)
Einstein Emily Graham (10b), Ella Tillmanns (10c)
Newton Lena Nießen (10a), Laura Schalckens (10a)
Inspektor Marlyatou Sow (10a), Arina Kopytov (10b)
Dr. v. Zahndt Maria Kanovey (10a), Sumea Berisha (10b)
Oberschwester Laura Konrads (10b)
Schwester Monika Ariadni Agianozoglou (10a)
Frau Möbius Anika Styrnik (10a)
Herr Missionar Rose Jonathan Suchodoll (10a)
Kinder Pauline Zinner (10a), Henri Kronen (10a), Artur Mann (10a)
Oberpfleger Sievers Sabrina Appel (10a)
Murillo Henri Kronen (10a)
Mc Arthur Artur Mann (10a)
Blocher Jonathan Suchodoll (10a)
Gerichtsmediziner Sabrina Appel (10a)
Leiche Pauline Zinner (10a)